Einen Teil 1 mit gleichem Titel gab es schon, jedoch liegt er lange zurück. Ich schrieb ihn in der Anfangszeit dieser Website, auch mit dem Ziel den Verkauf meiner Bücher zu verbessern. Hier nun eine wenn man so will aktualisierte Fassung zum selben Thema.
Im letzten Beitrag über meinen persönlichen Werdegang im Budō musste so manches an wichtigen Einzelheiten einfach aus Platzgründen unter den Tisch fallen. Andernfalls wäre das ganze ja ein Buch geworden. Und doch gibt es mancherlei Verquickungen mit anderen Bereichen des Lebens, welche sofern sie unerwähnt bleiben, das Geschehene bisweilen etwas schwer verständlich bleiben lassen. Dabei halte ich einen Gesichtspunkt ganz besonders wichtig, der dort völlig zu kurz kam und dem ich hier „eine ganze Folge“ widmen möchte.

mit Sensei Demura: Francisco Camarena (s. extra Beitrag) und Natsu Kadoya (s.u.)
Vieles oder eigentlich ja alles im Leben ist kaum erreichbar ohne die hilfreiche Zuwendung anderer Menschen. Das muss nicht immer und unbedingt tiefgreifende Aufopferung sein, die einem da zuteil wird. Oft reicht(e) es, wenn die betreffende Person einem wohlwollend gegenüberstand und davon absah einem irgendwelche ihrer sozialen Stellung entsprechenden Knüppel zwischen die Beine zu werfen. So hatte ich im Rahmen meiner organisatorischen Tätigkeit gerade bei Behörden immer wieder mit Leuten zu tun, die alles im Rahmen der Möglichkeit taten mir das Gewünschte zu gewähren. Gleichwohl hatte ich auch Gegenteiliges erlebt. Und abgesehen davon, dass es so aus dem Wald schallt wie man hinein ruft, also ob man nett auf die Leute zugeht, gibt es natürlich auch Zeitgenossen, die einfach nicht wollen und denen die Bestätigung ihrer bescheidenen Macht wichtiger ist als das Wohl anderer. Dabei gibt es solche Zeitgenossen nicht nur in Behörden, leider trifft man diese Art Mitmenschen auch innerhalb unserer erlauchten Kreise, und davon nicht gerade wenige. Aber um die soll es hier gar nicht gehen, sondern es sollen möglichst viele all jener genannt werden, die mir halfen meine kleinen und größeren Ziele zu verwirklichen.

Holger Brückner
Beginnen möchte ich mit den im vorigen Beitrag erwähnten Connections, die ich nutzte um Sensei Demura zu kontaktieren und später bei ihm zu lernen. Der Wunsch dazu, also mich direkt einem japanischen Meister anzuvertrauen, wurde genährt von Holger Brückner, der im Januar 2021 leider verstarb. In dessen Schule in Lübeck trainierte ich weiter Judō als ich Ende der 70er Jahre schon in Kiel studierte. Er hatte immer mal wieder Judō-Instruktoren aus Japan zu Gast, was mich sehr beeindruckte. Durch seinen recht unkonventionellen Unterrichtstil und im Rahmen persönlicher Gespräche half er mir meinen damals noch recht beschränkten Blick auf das Wesen der Budō-Künste zu erweitern. U.a. empfahl er mir dringlichst mich mit Literatur über Zen zu befassen. Als ich ihm mitteilte, ich wolle zu Sensei Demura, verwies er mich an Dieter Stehn, einen Freund und Kollegen aus der Zeit der Judō-Pioniere. Dieser unterhielt ebenfalls ein Schule mit dem Namen Nippon in Hamburg, in welcher auch der damals recht bekannte Kung-fu Meister Al Dacascos unterrichtete. Er war mit Sensei Demura bekannt und so erhielt von ihm dessen Adresse in Kalifornien. Wertvolle Tips für meinen Aufenthalt bekam ich auch von dem dortigen Karate-Trainer Andreas Brannasch, der da schon häufig in die USA gereist war.

Sportschule Samurai
Nach der Bundeswehr studierte ich Chemie an der Uni in Kiel. Ich trainierte dort in der Gruppe des Sport-Forums, welche dem DKB angehörte. Um meine Dan-Prüfungen innerhalb der DKU machen zu können wurde ich Mitglied der Sportschule Samurai, ebenfalls in Lübeck. Die Inhaber Michael Becker und Martin Erben kannte ich aus früheren Tagen im Lübecker Judo Club. Sie ermöglichten mir großzügigerweise eine weitgehende Eigenständigkeit bei meinem Üben, denn ich war „traditionell“ orientiert, im Gegensatz zu dem von ihnen selbst praktizierten „modernen“ Karate, dem des Leichtkontakt mit Schutzausrüstung. Mein Übungspartner war dann Rainer Kummerfeldt. Auch er trainierte als wir uns kennenlernten anfangs noch das moderne System, kehrte diesem aber im Laufe der Zeit zugunsten der Tradition den Rücken. Jenes sogenannte moderne und somit als fortschrittlich angesehene Karate kennt heute kaum noch jemand.

Gesellige Runde mit Sensei Fujinaga und seiner Frau Brigitte, im Hintergrund Dieter Flindt, links Rainer Kummerfeldt
Mit Rainer verbanden mich bald viele Interessen in Sachen Kampfkunst. So fuhren wir u.a. gemeinsam zu all den Seminaren des Kobudō-Kaders des Dr. Georg Stiebler, später dann auch zu jenen des Franz Gaschler um Iaido zu lernen. Noch später dann besuchten wir regelmäßig das Iaidō-Training in Reibeck bei Karl-Heinz-Lübcke. Auch verwies mich Rainer auf eine Notitz in einem namhaften Karate-Magazin, es gäbe einen neuen von Hirokazu Kanazawa gegründeten Weltverband. Das war eine Alternative für uns DKU-ler, denn im DKB ging es uns ein wenig zu verkrustet zu. Zuvor waren wir mit Dieter Flindt auf dem Gasshuku in Kempten gewesen. Es wurde von dem sogenannten Dachverband veranstaltet, der später zum Deutschen Karate Verband (DKV) wurde. Ich hatte bei Dieter Flindt einst, ab 1972, Karate „gelernt“, also in dem was damals so als Unterricht geboten wurde. Auf meiner ersten Dan-Prüfung trafen wir uns wieder. Er war mittlerweile Funktionär im KVSH und führte eine Gruppe „auf dem Land“ als Sparte des TSV Pansdorf (nahe bei Bad Schwartau). Er lud mich in alter Freundschaft dorthin zum Training ein. Rainer folgte ebenfalls der Einladung und so begannen wir drei bald mit einem profunden Training aller uns bekannten Kata. Als Team konnten wir sogar auf Meisterschaften einige bescheidene Erfolge erringen. Irgendwann teilte er uns mit er wolle eine private Schule gründen. Diese Schule mit dem Namen Tokugawa in Bad Schwartau gibt es bis heute.

neben Sensei Funinaga: Dieter und Rainer
Darauf folgte eine gute Zeit des Vorankommens für alle. Wir traten dem SKI bei und wurden Schüler von Sensei Nagai, obwohl ich mich heute, zumindest was mein Shōtōkan betrifft, eher als Fujinaga-Schüler bezeichnen möchte. Dieter war eine geraume Zeit sogar Geschäftsführer dieses Verbandes. So konnten wir dann im Laufe der Jahre auch weitere der dortigen Instruktoren, insbesondere natürlich Meister Kanazawa selbst persönlich kennenlernen. Rainer und ich waren bei Dieter als Trainer tätig und genossen dadurch so einige Previlegien, die unserem persönlichen Fortschritt außerordentlich förderlich waren. Mit der Zeit änderten sich jedoch unsere Prioritäten und so gingen unsere Wege auseinander. Die Wege von Rainer und mir trafen sich später wieder und das Ergebnis war die erste Einladung Sensei Demura´s nach Deutschland und die folgende Rückkehr zum DKV, verbunden mit der dortigen Gründung der Stilrichtung Shito-ryu.

zwei Kobudo-Verrückte – oder zwei Verrückte beim Kobudo?
Bei meinem Blick zurück wird mir immer wieder klar, wie wenig ich ohne die hier an zwei Beispielen geschilderte Unterstützung durch Budō-Kameraden erreicht hätte. Völlig auf sich allein gestellt, wird ein jedes Unterfangen schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Jene Reisen, die ich ganz alleine antrat, bestätigten mir dies um so mehr. Allerdings erfuhr ich gerade bei meinem Aufenthalt in Kalifornien von vieler Seite her freundliche Unterstützung, weshalb ich an jene Zeit gerne zurückdenke. Bei meinem zweiten Aufenthalt lieh mir einer der Leute sogar eins seiner damals noch recht typisch großen Autos.
Das gegenseitige Unterstützen erwächst natürlich nicht nur aus reiner Mitmenschlichkeit. Oft profitieren beide Seiten davon, wobei die Interessen nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen. Besonders die Vorstände der regionalen Sportvereine waren wohl weniger interessiert an Spritualität oder dem Wesen des Budō, als vielmehr an Prestige und steigenden Mitgliederzahlen. Ich kann mich jedenfalls über meine Zeit beim Heikendorfer Sportverein (bei Kiel) nicht beklagen, auch was die moralische Unterstützung und die Bezahlung betrifft. Zu guter letzt kann ich nur all den auf kleineren und großen Events hilfreich Beteiligten, insbesondere den Müttern und Vätern der kleinsten Mitglieder nicht dankbar genug sein.

mit „Ami-Schlitten“
Nicht unerwähnt bleiben sollte eine Person, welche in den 80er Jahren mein Leben kreuzte und dann wieder verschwand. Ein gewisser Curtis Clavin-Hesse, ein Mann des Wing-Tsun Kung-fu, „gastierte“ um die zwei Jahre in Bad Schwartau, dem Ort der Schule Tokugawa. Es bildete sich zwischen uns so etwas wie eine vertrauensvolle Kameradschaft, was damals unüblich war zwischen Kung-fu- und Karate-Leuten, und so konnte ich viel Internes über seine Kampfkunst erfahren. Mit diesen wertvollen Informationen begann ich später viele bis dahin als „bewährt“ geltende Sichtweisen des traditionellen Karate, besonders des Shōtōkan, in Frage zu stellen.

Frank Holderbaum – 80er Jahre
Vielleicht sollte ich noch jene Leute nennen, die mich beim Schreiben der Bücher unterstützen. Zum einen sind da meine langjährigen Trainingskameraden Andreas Plöger und Frank Holderbaum, ehemals „Schüler“ von mir bei Tokugawa. Von Frank stammen die Fotos im zweiten Werk.

Lourdes Meléndez
Besonderer Dank gebührt auch meiner Schwägerin Maria Lourdes Meléndez, eine exzellente Informatikerin. Ich hatte durch ein dummes Versehen (Windows XP !) mehr als die Hälfte vom Rohtext des ersten Buches – zumindest für mich – unwiderruflich gelöscht. Es gelang ihr jedoch das Dokument aus den Tiefen der Festplatte soweit wiederherzustellen, dass ich nicht noch einmal von ganz von vorn anfangen musste. Ich war damals vielleicht fertig mit der Welt! … Dank natürlich auch den Verlegern Werner Kristkreitz und Frank Elstner (Palisander) für all ihre professionelle Geduld – und dass sie sich meiner überhaupt annahmen.

vor den Foto-Aufnahmen: Dolores, meine Wenigkeit und Andreas in dessem Privatdojo
Um auf dem Weg des Budō mehr Tiefe zu erfahren, sah ich es als nötig auch die Kultur des Ursprungslandes und damit die Sprache zu studieren. Bei beidem half mir meine Partnerin Natsu Kadoya. Sie gab Kurse für die Deutsch-Japanische Gesellschaft Schleswig-Holstein mir Sitz in Kiel. Um schneller voran zu kommen nahm ich bei ihr auch Privatstunden. Wie es dann so kam … am Ende waren wie über 14 Jahre lange ein Paar. Während dieser Zeit habe ich viel gelernt über die Menthalität aller Japaner, d.h. nicht nur die der Budō Betreibenden, deren Sitten und Gebäuche. Auch weiß ich nun einiges über die Zeremonie des Tee oder das Arrangieren von Blumen. Ich verdanke ihr ein beträchtliches Hintergrundwissen über Land und Leute und glaube daher, ohne sie wäre ich auch nie in der Lage gewesen, derartige Bücher zu verfassen.
Nun will ich hier nicht in Manier wie bei der Oscar-Verleihung in Hollywood eine vermeintlich vollständige Liste aller herunterbeten, die bedankt sein wollen. Ich meine, das wesentliche ist gesagt worden: Allein sind wir nichts, und bei allem erforderlichen Individualismus können wir nur gemeinsam aus Ideen Realität werden lassen. Leider wird dieser Part von nicht wenigen – auch illustren Budō-Berühmheiten – allzu leicht vergessen.